Sempé: Musik
Jean Jacques Sempé (1932-2022), Erschaffer des kleinen Nick, verzauberte mit seinen Zeichnungen und Karikaturen Generationen von Kindern und Erwachsenen. Seine Leidenschaft galt Zeit seines Lebens der Musik und deren Interpreten.
Ray Ventura, Debussy, Duke Ellington
Paris, in den 1930 er Jahren. Ein kleiner Junge schleicht sich heimlich ans Transistorradio. Nacht für Nacht presst er sein Ohr an den Lautsprecher, so dass er ungestört dem knisternden, süßen Klang der Musik lauschen kann. Berauscht von den Klängen entfaltet sich ihm eine Welt, die ihm auch als Zufluchtsort dient. Weg von seinen schwierigen Pflegeeltern, von Gewalttätigkeit und Mangel.
Vor allem die Begegnung mit Ray Ventura, Debussys Clair de lune und Gershwins The man I love hinterlässt bleibenden Eindruck. Er verliebt er sich in das Klavier und in die Musik im Allgemeinen. Da er in ärmlichen Verhältnissen aufwächst, ist an Musikunterricht nicht zu denken. Dafür hört er Radio, so oft er kann. Debussy, Ravel, Gershwin, Ray Ventura, später Paul Misraki und Charles Trenet. Vor allem Duke Ellington verehrt er in besonderem Maße.
Durch Zufall entdeckt er Jahre später in einem Schaufenster ein „schwarzes Ding mit einer roten Scheibe in der Mitte“, auf der Duke Ellington and his orchestra stand. Paralysiert steht er vor dem Laden und kann nicht fassen, dass sein großes Idol, sein geliebter Musiker „in diesem schwarzen Ding stecken“ soll. Zwar kann er sich die Platten nicht leisten, aber die Verkäuferin gewährt ihm, sie im Laden anzuhören. Als er mit der Veröffentlichung von Zeichnungen in französischen und belgischen Zeitungen ein paar Francs verdient und ihm seine Frau Christine einen Plattenspieler schenkt kauft er sich seine ersten zwei Platten: Duke Ellington und Tschaikowsky.
Sempés Beobachtungsgabe
Die Leidenschaft für Musik ist ein zentrales Moment im Leben des Zeichners Jean Jacques Sempé. Im Interview mit dem Journalisten Marc Lecarpentier erzählt Sempé über seine Faszination für Musik unterschiedlicher Genres, den Schmerz, selbst nie ausübender Musiker geworden zu sein, seine Tätigkeit als Textdichter und seine Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit Künstlern. Sempé zeigt sich dabei als tiefgründiger, aber auch ironisch witziger Erzähler, in dessen Anekdoten sich seine künstlerische Neugier ebenso spiegeln, wie seine herausragende Beobachtungsgabe.
Diese Beobachtungsgabe zeigt sich auch in seinen berührenden Zeichnungen. Jedes einzelne Bild erzählt eine Geschichte, erfasst Charakter und Emotion der Protagonisten und zaubert dem Betrachter ein Lächeln ins Gesicht. Ob mit wenigen Pinselstrichen aufs Papier geworfen oder als detailreiche Aquarelle: Die Zeichnungen Sempés versprühen französischen Charme, Leichtigkeit, Witz und manchmal auch Wehmut. In Sekundenschnelle taucht man in die Szenerie seiner Bilder ein, hört die Geräusche und Klänge, riecht den Duft des Salons oder die Rauchschwaden der Jazzbar und fühlt mit den dargestellten Protagonisten. Im 1989 erstmals erschienenen, 2017 neu aufgelegten Band „Musik“ sind dies allesamt Musiker. Laien, Profimusiker oder Kinder, die Klavier üben (müssen). Streicher, Sänger, Bläser, Pianisten, Jazzer, klassische Orchester oder das ältere Ehepaar bei der Hausmusik. Sempé erfasst ihre innere Bewegung und schenkt uns mit seinen Bildern das wohlige, sentimentale Gefühl der guten alten Zeit.
Zum Weiterhören
Wenn Sie Lust haben, in die Musik einzutauchen, die Sempé geliebt hat, finden Sie ausgewählte Werke von Duke Ellington, Maurice Ravel, Ray Ventura, Claude Debussy, Nat King Cole, George Gershwin, Jacqueline Francois, Michel Legrand und anderen unter folgendem Link:
Empfehlung
Das Buch „Musik“ mit Zeichnungen und dem Interview von Marc Lepantier mit Jean Jacques Sempé, erschienen im Diogenes Verlag finden Sie hier: